Bunträume

Mittwoch, 29. Februar 2012

Was Freude macht, belastet nicht !


Gestern abend habe ich per email das dritte Modul meines Fernkurses zur Bi.G Kursleiterin erhalten. Das bedeutet wieder Hausaufgaben. Skript lesen, weiterführende Literatur lesen. Nachdenken. Fragenkatalog bearbeiten. Also habe ich mich heute, als die Babysitterin Herrn Klein betreut hat, in die Bücherei gesetzt und losgelegt. Und gar nicht prokrastiniert



In der Schule hat unser Physiklehrer bei der Erteilung der Hausaufgaben immer mit einem Lächeln gesagt: „Was Freude macht, belastet nicht.“
Ich hab das lange Zeit gar nicht verstanden, weil ich gar nicht genau hingehört habe. Und weil mich Physik in ihrer vermittelten Trockenheit nicht interessiert hat. Auch im Studium habe ich mich auf Grund von Zeitdruck, anderen „lustigeren“ Interessen oder Nichtverstehens eher durch die Hausübungen gequält. Ebenso durch das Schreiben meiner Diplomarbeit, obwohl sie von einem Thema handelte, was mich damals sehr interessierte. Aber der auferlegte Zeitdruck, die Rahmenbedingungen und die vorangegangenen mühseligen Jahre des „Durchboxens“ haben mir sehr viel Motivation geraubt. So ging es weiter. Im Job, in Weiterbildungen. Zäh wie alter Kaugummi.

Jetzt werde ich verunsichert angeschaut, wenn ich erzähle, wie viele Ausbildungen ich grad mache. Und das mit einem Lachen im Gesicht. Nein, leicht ist es nicht immer neben Kind, Familie und Job. Aber es ist nicht das Lernen und Erarbeiten, was mich stresst. Es ist die Zeit, die ich anderweitig verbringe. Verbringen muss – mit Arbeit zum Beispiel. Wo ich NICHT lernen kann, keine spannenden Artikel lesen kann. Mich nicht austauschen kann.

Das ist es also, was Maria Montessori an Kindern entdeckt hat. Der Drang, der Wille, etwas zu erfahren, zu erlernen, zu verstehen. Der Drang, den wir durch fixe Stundenpläne und Frontalunterricht in der Schule zerstören. Im Volksschulalter bereits. Und die Freude, die Ausdauer, die ein Kind hat, wenn es sich mit etwas beschäftigt, das es von sich aus gewählt hat. Frei und ohne Zwang.

Nein, nicht nur Kindern geht das so.
Auch ich saß heute also da und "lernte". Wenn man das so bezeichnen mag. Denn was genau ist lernen? Etwas lesen und lesen und lesen und nicht verstehen aber mühsam versuchen in den Kopf zu hämmern? Das - so schien is - war es jedenfalls, was die StudentInnen um mich herum in der Bücherei alle taten. Oder sich mit etwas beschäftigen, darüber lesen und recherchieren, dabei mehr und mehr Interesse entwickeln und gar nicht bemerken, wie schnell die drei Stunden um sind, die man sich dafür genommen hat?

In meinem Fernkurs suche ich mir bewusst Fragestellungen aus den Modulen aus, die ich mit mir spazieren trage. Über die ich nachsinnen kann, wenn ich in der Ubahn sitze oder abends Herrn Klein lausche, während er in die Traumwelt dahindöst. Früher habe ich Fragestellungen so lange gemieden, bis ich einen Prüfer und ein A4 Blatt vor mir hatte.

Apropos Fragestellungen. Vielleicht habe ich die auch nie wirklich verstanden. Denn noch heute zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich lese "Beschreiben Sie..." Wie genau? Wie ausführlich? Und was überhaupt? Und dann die Bitte, das mit eigenen Worten zu tun. Hilfe! Keine Definition abschreiben? Kein Lexikon zitieren? Oft hänge ich an solchen Aufgabenstellungen fest, bis ich beschließe, einfach ein paar Stichpunkte zu machen und zur nächsten Fragestellung weiterzugehen. Und während diese Notizen das Papier streifen, bilden sich schon Sätze, die Gedanken poltern und plötzlich habe ich die Antwort da, von der ich gar nicht wusste, wie sie ausschauen sollte.
Das ist es also, was die Schule mit uns angestellt hat. Unsere Geister verkompliziert und verschreckt.

Ich hoffe, dass, bis Herr Klein mit seiner Zuckertüte das erste Mal eine Schule betritt, sich schon einiges geändert hat im Bildungssystem. Und vielleicht habe ich bis dahin auch gelernt mit ganz einfachen Fragestellungen umzugehen. In diesem Sinne - Modul 3 hat noch ein paar Fragen offen und der Abend ist noch jung. Oder: "Was Freude macht, belastet nicht!"

Dienstag, 28. Februar 2012

A wie Absage und Anker

Vor kurzem hat mich eine Freundin völlig spontan gefragt, ob ich Lust hätte, als "Native Speaker" in einem Kindergarten mit Montessori Ansatz zu arbeiten. Da wäre grad eine Stelle frei. Ich war völlig überwältigt, überrascht und vom jetzigen Leben 1.0 überhaupt mal wieder besonders genervt. Ich wollte Hurra! schreien. Und musste dennoch absagen.




Ich hab mich also beworben. Ganz klassisch mit Lebenslauf und ohne irgendwelche Referenzen. Die hab ich ja noch nicht. Und mein Diplomzeugnis vom Bauwesen brauchte ich sicher nicht dazulegen.
Prompt kam auch der Anruf und eine Terminvereinbarung für ein Gespräch. Ich habe mir die Einrichtung angeschaut und mehr über die Tätigkeit erfahren. Und das Gehalt. Das Gehalt.

Es ist unglaublich, wie schlecht die Menschen bezahlt werden, die 40h die Woche, 8h am Tag die nächste Generation betreut und begleitet. Die Verantwortung wird hier meiner Meinung nach völlig vernachlässigt. "Die spielen ja nur." war vielleicht auch mal mein Glaube, als ich noch keine Ahnung hatte von Kindern und dem Job, den alle wirklich leisten, die mit ihnen zu tun haben.

Nicht dass Kinder so anstrengend wären oder mühsam. Gar nicht. Aber sie sind fragil. Fragil dahingehend, dass man so viel in eine Richtung biegen und versteifen kann, ohne dass es einem bewusst ist. Jeder Satz, jede Handlung kann so unglaublich viel anrichten bei einem Kind, was die Welt noch ganz anders sieht und alles aufsaugt wie ein Schwamm. Meist unbewusst.

Aber ich lenke vom Thema ab. Die Bezahlung war also ein Witz. Natürlich habe ich keine Berufserfahrung, und die Gehaltspolitik kann ich auch nicht ändern in der Branche. Aber dass es für mehr Stunden, als ich jetzt in Leben 1.0 arbeite noch immer weniger ist, als jetzt, finde ich unglaublich schockierend.

Hinzu kommt, dass ich dann also mehr Stunden arbeite als jetzt. Zwar in einem Bereich, der ungefähr etwas mit dem zu tun hat, was ich machen will. Aber mir bleibt wiederum wieder weniger Zeit für alle Projekte und Ausbildungen, die mir helfen sollen, mich 100% ins Leben 2.0 zu katapultieren. Und das war der Knackpunkt.
Ich kann nicht noch länger "rumtanzen" und Zeit vergehen lassen. Mich in eine Richtung schlängeln, die mich doch von meiner wirklichen Richtung, von meinem allmählich freigeschaufelten Weg abbringt. Ich kann die wirklich wesentlichen Ideen und Projekte nicht wieder auf Eis legen.
Also danke für diese Möglichkeit, weiter 24h die Woche Bauwesen, 24h die Woche Projekte, die mich so wenig interessieren, dass ich nur durch Reframing Perspektive bewahren kann. Und nach Feierabend lesen, lernen und planen.

Und dann bleibt mir ja noch Ankern. Tief in mich fühlen dahin, wo diese Begeisterung für Leben 2.0 liegt und lebt. Immer wieder. Um nicht zu vergessen, wofür ich mache, was ich mache. Ommmm.

Montag, 27. Februar 2012

Frag mich, sonst schweig ich.









Am Samstag fuhr ich mit Herrn Groß und Herrn Klein in einem Lift, in den sich auch ein eigentlich gehfähiges älteres Ehepaar quetschte. Herr Klein war sehr müde und saß daumenlutschend, ins Narrenkastl schauend im Wagen. Die Dame sah ihn an und wagte den bisher dreistesten aller Sprüche: "Na Du armes Kind, hast Du kein Lutschi, dass Du am Daumen lutschen musst?" Man ist in solchen Momenten gelähmt im Mund, leider. Oder besser so. Denn hinterher fielen uns ca 100 verschiedene Varianten ein, darauf zu reagieren. Keine davon wirklich freundlich.

Auch mir begegnen im Alltag Situationen, die ich laut und ungläubig kommentieren möchte. Aber genau das sind die Momente, in denen sich die angehende Familienbegleiterin auf die Zunge beißt.

Es ist klar - seitdem ich mich mit allen Thematiken um Eltern, Kinder und Familien befasse, betrachte ich die Welt um mich herum wie ein großes Aquarium. Jeder Spielplatzbesuch gleicht einer Hospitation, die Besuche beim Kinderarzt bieten mir Recherchematerial für eine ganze Doktorarbeit. Die Feinheit dabei ist jedoch, sich das nicht anmerken zu lassen. Keine kritischen Blicke, keine wertenden Mimiken oder Gestiken und vor allem: keine Kommentare!

Das ist nicht immer leicht. Aber wer bereits - so wie wir am Samstag - von anderen komplett fremden Personen zu so persönlichen, die eigene Familie, die eigenen Kinder betreffenden Themen angesprochen und vor allem bewertet wurde, der weiß, wie ablehnend, wie wütend und negativ man auf solche Kommentare reagiert.
Würde ich nun also überall meine wohlmeinenden Ansichten zu Wort bringen, wäre ich als Familienbegleiterin sicher recht bald allein auf weiter Flur. Denn es ist nicht möglich, Menschen zu berichtigen, zu helfen oder zu unterstützen, wenn diese nicht darum gebeten haben.
Das gilt für Alkoholiker, psychisch Kranke oder eben auch Eltern.

Es ist aber nicht nur das Gefühl, auf etwas angesprochen zu werden, was eventuell schon leise in uns schlummert und brodelt, oder auch noch gar nicht bemerkt wurde. Diese Gefühl zu versagen, etwas komplett falsch zu machen und neben der Spur zu laufen.
Es ist ebenso die Tatsache, dass man ein Problem nicht lösen kann, wenn keine Frage da ist. Denn das, was ich unterwegs, auf der Straße, am Spielplatz sehe, sind Momentaufnahmen. Sie sagen nicht, rein gar nichts, über das gesamte System dieser einen Familie aus.
Und eine Frage ist erst dann da, wenn die Person diese Frage selbst formulieren kann, ihr Problem kennt und bereit ist, mir mehr über all das zu erzählen, was damit zusammenhängt.

Also ist es ok zu beobachten, interessiert zu schauen und ja, auch hie und da zu bewerten. Wenn ich all das für mich behalte, schlucke und als Lernprozess sehe. Und meine Kommentare dann abgebe, wenn sie interessiert gehört und aufgenommen werden wollen. Dann bewirken sie auch etwas, und das ist es doch, was ich möchte. Bewirken.


Was sind die schärfsten Sprüche, die Euch als Eltern begegnet sind? Und wie habt Ihr reagiert?

Sonntag, 26. Februar 2012

Warum brauchen wir eine FamilienbegleiterIn ?

Diese Frage stellt man mir häufig in letzter Zeit. Was genau macht die ? Gibt es dafür Bedarf ? Und in den Hinterköpfen meiner Eltern sicher auch immer die Sorge "Kann man damit Geld verdienen ?"
Meine Antworten sind meist: Viel. Ja. und Ja. Die Langfassung sieht so aus.





Wir leben in einer Zeit, in der uns nicht mehr allein unsere Familie stützt. Teilweise gar nicht mehr. Wir reisen durch die Welt, studieren hier, arbeiten da und landen letztendlich irgendwo. Die Eltern, Großeltern und Freunde fern und per skype doch so nah. Aber was bringt mir das, wenn ich mit einem schreienden Baby wochenlang das Haus kaum verlasse, nur noch fastfood in mich hineinstopfe und hier und da einmal genüsslich dusche? Wenn die kindfreie Zeit sich auf wenige Stunden beschränkt und ich allmählich auf dem Zahnfleisch krieche?

Dann suche ich mir andere Hilfen. Ratgeber, Internetforen, befreundete Mamis mit den selben Problemen und in letzter Instanz noch den gestressten Kinderarzt. Nur blicke ich aus meinen schlaflosen Augen nicht durch im Ratgeberdschungel, zicke mich durch tausende Mütterdiskussionen in drei verschiedenen Internetforen, stelle fest, dass die Mamis in der Spielgruppe auch keine Wundermittel kennen und der Kinderarzt dreimal nach dem Namen meines Kindes fragt und dann schon wieder vergessen hat, was meine Frage war. Letztendlich sind wir allein. Allein zu zweit mit unserem Partner, wenn es gut läuft. Allein allein, wenn es ganz dick kommt.

Und die, die ihre Großeltern in der Nähe haben? Die haben sie entweder so nahe, dass es ihnen lieber wäre, sie würden 12 mal im Jahr Urlaub machen oder sie verlagern die Diskussionen an die Kaffeetafel und streiten sich mit einer anderen Generation, anderen Ansichten und anderen Ratschlägen. Und sind am Ende wieder allein.

Ist es da nicht gut jemanden zu haben, der genau dann da ist, wenn man ihn braucht ? Eine Person, die man von Anfang an kennt, die Schwangerschaft und Geburt begleitet hat und Einblick ins Partner-, Familien- und Alltagsleben hat? Wieviel davon, bestimmen ja die Eltern selbst. Und wieviel Hilfe sie beanspruchen auch.

Jemand, den ich auch mal einfach anrufen und volljammern kann. Jemand, der mir nicht gleich mit guten Tips und Ratschlägen kommt, sondern empathisch meine Anker heraufzieht, damit das Schiff weitersegeln kann. Der mir den Horizont erneut aufzeigt, während ich bereits glaubte, am Meeresboden zu ertrinken. Aber auch jemanden, der mir im Strudel von Meinungen, Ratschlägen und Streitigkeiten meinen eigenen Standpunkt wieder auf dem Boden festschraubt. Mich erinnert, wer ich bin und was ich will.

Ein Kind zu bekommen ist oft das größte Glück für ein Paar und bis zur Geburt können sich viele nicht vorstellen, wie sehr es letztendlich an der Beziehung und bereits gemeinsam aufgebautem Gerüst rütteln und schütteln kann. Weil viele sich bis dahin Gedanken machen um Ausstattungen, Kinderzimmereinrichtung und Spielzeuge, die ein Kind bis zum 1.Lebensjahr oft nicht braucht. Über die Erziehung, über eigene Prinzipien und Grenzen wird oft gar nicht gesprochen. Bewusst oder unbewusst. Und dann ist es soweit und mitten zwischen vollen Windeln, Brustentzündungen und durchwachten Nächten fallen Worte und Sätze, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie in einem wohnen. Weil es nun an die eigene Substanz geht, die aber so am Zerbröseln ist, dass man vor lauter Putz- und Mauerwerksbrocken das Haus nicht mehr sieht. Und droht, zu zerbrechen. Baustelle Kind ohne Strom und Polier.

Das lässt sich verhindern. Indem man vorher beginnt zu arbeiten. An einer Basis, die kindgerecht ist. Die Probleme anspricht, bevor sie auftauchen.

Mein Mann und ich hatten das Glück, auf dieses kleine, scheinbar unwesentliche Detail hingewiesen zu werden. Und so begannen wir bereits in der 12. Schwangerschaftswoche über die Begleitung unseres Kindes ins Leben zu philosophieren. Und von da wanderten wir durch alle Themen, die sich dadurch öffneten, wagten es, an jeder uns noch so unbekannten Tür zu rütteln und kümmerten uns weniger um die Besorgung einer Badewanne oder eventuell notwendiger Milchnahrung. Ersteres brauchten wir sowieso erst nach einer Woche und zweiteres gar nicht. Alles andere öffnete uns eine Welt, die wir sonst mit ganz anderen Augen und Ohren erlebt hätten.
Ich bin dankbar dafür, dass wir unsere Prioritäten so verschoben haben. Und ich wünsche vielen, dass sie das auch (gern) tun. Dabei will ich helfen, begleiten und unterstützen. Ohne dabei eine Pole position einzunehmen, die Intimität oder Privatsphäre stören könnte.

Aber auch denen, die bereits an eventuellen Problemen oder Sorgen angelangt sind, nicht weiter wissen oder an Türen rütteln, die sich nicht öffnen lassen, möchte ich helfen. Und ich meine zu glauben, dass es davon sehr sehr viele gibt. Denn auf die wenigsten Fragen findet man im Internet, im Eltern-Kind-Zentrum oder beim Kinderarzt wirklich unterstützende Antworten oder zumindest wegweisende Worte. Weil jede Familie individuell ist. Einzigartig. Und neu.

Freitag, 24. Februar 2012

Routine - Nein Danke !

Man kennt das ja, wenn man sich freut, wie routiniert einem etwas von der Hand geht. Oder wie routiniert ein Kind schon etwas kann. Naja, geht es dabei um motorische Fähigkeiten, so mag das ja gut sein. Sobald aber der Geist gefordert ist, halte ich Routine für gefährlich, sehr gefährlich.

Als man uns nach der Diagnose von Herrn Kleins Herzfehler immer wieder sagte, dass diese OP letztendlich ja ein Routineeingriff sei, war ich nie wirklich beruhigt. Gerade wenn etwas so routiniert ist, verlässt man sich gern darauf, dass man das ja drauf hat, dass es flutscht und fast von selbst geht. Das will man dann doch nicht hören, wenn das Herz des Kindes stillgelegt und aufgeschnitten wird. Ja letztendlich ging doch alles gut während der 6 Stunden dauernden Operation.

Was danach gar nicht gut ging, war die Routine auf der Station. Wo Schwestern gestresst umherliefen und ernsthaft besorgte Eltern um jede Information und Unterstützung selbst kämpfen mussten. Wo die Informationen, die kamen, einem wie wilde Pfeile um die Ohren flogen, gespickt mit kleinen Fetzen aus medizinischen Vokabelheften. Unverständlich und überfordernd für Mütter, die ihr Wochenbett auf der Herzstation verbrachten, für Väter, die zwischen Job, krankem Kind und halb wahnsinniger Ehefrau schwankten.
So routiniert wie die Abläufe waren, so unpersönlich und hektisch wurden sie gelebt. Jeder Tanz aus der Reihe war zusätzlicher Stress. Für alle Beteiligten.

Beim Kinderarzt nichts Neues. Das kennen wohl alle, die der allgemeinen Betriebskrankenkassen anhängen und sich keinen privaten Arzt mit ruhigen atmosphärischen Wartezimmern, die man kaum streift, weil man gleich drankommt, leisten können. Stattdessen steht man dort zur ersten Mutter-Kind-Pass-untersuchung nur wenige Tage nach der Geburt mit seinem kleinen Wesen und ziehenden Dammrisswunden am Schalter und buchstabiert den eigenen Namen, den des Kindes, die gesamte Adresse und bei etwas Pech noch die ganze Großfamilie und alle Bezirke Wiens dazu. Danach sitzt man, endlich. In einem Raum voller kranker und nichtkranker Kinder, genervter Eltern und höchstmotiviert umherfliegenden Viren und Bakterien. Endlich der Aufruf. Jetzt ists bald geschafft. Denkt man. Stattdessen beginnt nun der richtige Stress. Ein Arzt, der routiniert (!) zwischen zwei Behandlungszimmern navigiert, an zwei Computern zwei Patienten ins System hackt, Rezepte tippt, Herzen abhorcht, Hüften schallt, Hoden prüft und mütterliche Hände schüttelt. Wenn überhaupt. Alles Routine. Läuft ja auch alles. Das Wartezimmer bummvoll, damit genug Geld reinkommt.

Eine Freundin besichtigte auf der Suche nach einer geeigneten Krippe für ihren Sohn verschiedene Einrichtungen, wobei sie in Gespräche mit PädagongInnen verstrickt wurde, die sie im Traum nie angedacht hätte. "Ja wissen Sie, nach 30 Jahren in dem Beruf hat man manchmal auch einfach keinen Bock mehr." Danke. Auf Nimmerwiedersehen. Menschen, die unsere Kinder betreuen, eine neue Generation ins Leben begleiten. Menschen, die stattdessen dem Alltag, der Routine, der eigneen inneren Lähmung zum Opfer gefallen sind.

Ist das das Ziel, wenn man einen Beruf wählt, der mit Menschen zu tun hat? Dass man eine Routine entwickelt, die so viel Fließbandarbeit ermöglicht, dass man vergisst, dass das keine Zahlen, keine Betonklötze sind, sondern Menschen?
Der traumhafte Gedanke ist, dass man Kinderarzt wird, weil man Freude an Kindern hat, einen guten Zugang zu ihnen, einfühlsam, sensibel und empathisch ist. Die Realität ? Zumindest bei den Kassenärzten ernüchternd. Ebenso beim Pflegepersonal im Krankenhaus. Bei KinderbetreuerInnen. Bei der kassenärztlich verschriebenen Physiotherapie.

Ich wünsche mir, dass ich keine Routine finde. Jedenfalls keine, die meine Tage und Wochen im Leben 2.0 so vereinfacht, so gleich aussehen lässt, dass ich diese Freude, diese Motivation und Begeisterung, die ich momentan empfinde, auf der Strecke verliere.
Ich freue mich darauf, dass jeder Mensch, der mir beruflich im Leben 2.0 begegnet, anders ist, einzigartig, neu. Und dass ich nun, anstatt ihnen mit routinierten Arbeitsabläufen ganz individuell entgegentreten darf. Sogar soll. Keine exceltabelle, keine Maschine, kein Script kann mir die Arbeit erleichtern. Und darüber bin ich jetzt schon froh.

Auf dem Möbiusband zwischen Leben 1.0 und Leben 2.0

Mit Herrn Klein besuche ich einen Piklerspielraum. Einen solchen eben, weil ich in jeder anderen Spielgruppe, in der gesungen, gereimt und bespaßt wird, verrückt werden würde. Im Piklerspielraum kann ich sitzen und beobachten. Herr Klein spielt oder sitzt bei mir und beobachtet auch. Seelenmassage für ihn und mich.
Teil dieses Spielraumes sind jedoch auch die Gesprächsabende. Ohne Herrn Klein versteht sich. Physisch. Denn hier ist Zeit und Raum um Gedanken und Probleme mit und ums Kind zu besprechen und eventuell sogar auszuräumen. Diese Gesprächsabende sind es auch, auf die ich mich in meiner zukünftigen Tätigkeit als Familienbegleiterin und Spielraumleiterin besonders freue. Obwohl sie wohl die besondere Herausforderung sind.


Am Montag habe ich wieder mit zwei Hüten beim Gesprächsabend gelauscht. Dem Hut der Mutter von Herrn Klein, die hier die Tips und Ratschläge zu (eventuell noch auftretenden) Problemen aufsaugt. Und mit dem Hut des Lebens 2.0. In dem ich ebensolche Probleme selber helfen werde zu lösen. Bis dahin? Ein weiter Weg, um Fragestellungen, Kommunikation und Gesprächsführung zu verbessern und zu perfektionieren. (ich bin Jungfrau, Perfektionismus ausgeprägt).
Aber wie ? Sicher nicht, während ich 4 Tage die Woche im Büro des Lebens 1.0 sitze. Praxiserfahrung ist von Nöten, die kommt aber erst, wenn ich wirklich drin schwimme im Leben 2.0. Das tue ich, wenn ich für meine Kurse lerne, wenn ich Fernkursmodule bearbeite, wenn ich hier blogge oder abends im Bett gedankenversunken in die Zukunft schaue. Morgens wieder der Weg ins Büro, wo sich Arbeit und Projekte stapeln, die mich größtenteils tangieren. Das Problem: Das Geld. Ich kann nicht einfach so von heute auf morgen mein Leben 1.0 beenden und ins nächste starten. Ich brauche die Sicherheit, damit Geld zu verdienen. Sprich KlientInnen, ein Konzept, Termine und Preise. Eine Webseite, Werbung und genug vorbereitete Kurse und Workshops mit inkludiertem Hintergrundwissen, um zu starten. Der Rest kommt mit der Praxis, das weiß ich. Aber bis dahin. Bis dahin schwimme ich auf diesem Möbiusband entlang. Vormittags gefangen außen verzweifelt versuchend nach innen zu gelangen, um von dort neu anzufangen. Nachmittags, abends und am Wochenende gedanklich auf der Innenbahn reisend. Mit Ideen und Herzklopfen, Vorfreude auf all die Türen, die sich dann öffnen werden.
Und so rase ich innen - außen - innen - außen - ... entlang ohne irgendwo wirklich zu sein.

Die Fahrt ist mühsam. Und ich sehe momentan keinen Weg hinaus, Tag für Tag, Woche für Woche vergeht Zeit, wertvolle Zeit. Mehr und mehr Ideen nehmen Raum ein in meinem Kopf. Aber das Leben 1.0 raubt Energie und Motivation, um diesen zu folgen. Bis ich eines Tages explodiere. Aber dann.

Samstag, 18. Februar 2012

(K)EiN LOBLiED AUF MONTESSORi


14 Stunden Montessori liegen hinter mir. 14 Stunden Mathematik. 14 Stunden Staunen.
Und nein, das wird kein millionstes Loblied auf Montessori. Sie können ruhig weiterlesen.









Als ich mich zur Montessori Ausbildung entschieden habe, wusste ich noch nicht, wohin mich mein Leben 2.0 führen wird. Ich wusste nur, dass es bereits begonnen hatte. Nach einem Einführungsseminar zur Montessori Pädagogik. Vorher war es für mich "das mit dem anderen Spielzeug da". Und plötzlich war es eine ganz neue Welt. Voller Aha-Erlebnisse und Staunen.

Nun bin ich mittendrin und weiß, dass ich eigentlich keine Montessori Pädagogin in einem Kinderhaus sein möchte. Trotz aller Veränderungen in und um mich herum bin ich nach wie vor ein launischer Morgenmuffel, der sehr häufig seinen Rückzug braucht. Also für die ganztägige Arbeit mit Kindern ungeeignet. Und das ist ok so. Warum ich die Ausbildung trotzdem weitermache? Weil ich sie spannend finde und mich freue, darüber zu lernen, was meinen Sohn (jetzt noch nicht so intensiv, aber in einem Jahr) täglich beschäftigen wird. Und ich freue mich für ihn. Denn das, was in einem wirklich guten Kinderhaus geboten wird, ist einzigartig und absolut wundervoll. Wenn es eben rund ist.

Leider gibt es sehr viele Vorurteile rund um die Montessoripädagogik und das letzte, was ich tun will, ist sie loben und huldigen, als gäbe es nichts anderes. Denn dann produziere ich einen weiteren Artikel, der Eltern abschreckt und davonjagt und diese Vorurteile tiefer in die Gedanken einfräst. Das ist es nämlich leider, was viele MontessoripädagogInnen und -ausbilderInnen tun. Sie predigen.

In der Montessori Akademie in Hütteldorf/Wien ist dies so schlimm, dass ich es fast nicht ausgehalten habe, das 3tägige Einführungsseminar durchzusitzen. Fragen wurden mit verdrehten Augen beantwortet, dauerhafte Monologe geführt und verschiedene Materialien oder Erziehungsmethoden mit richtig oder falsch BEWERTET. Etwas, was Montessori doch so sehr ablehnte. Es war furchtbar und ich kann nur jedem abraten, dort Zeit zu verschwenden. Vor allem denen, die es wagen, sich auch kritisch mit der Montessoripädagogik beschäftigen. Dabei finde ich gerade das so wichtig für die Auseinandersetzung mit einer Thematik. Zu hinterfragen. Und ist es nicht das, was wir uns von unseren Kindern wünschen? Dass sie hinterfragen, statt Ja und Amen zu sagen? Aber stimmt, wir haben das ja verlernt, also können wir auf dieser Schiene weiter unser Leben dahinpaddeln.

Apropos Kritik. Mir wurde heute im Kurs auch von einer Teilnehmerin gesagt, sie lese gerade ein kritisches Buch über Montessori und ich war ganz interessiert. Und angeblich steht in diesem Buch auch, dass Montessori gar nicht alle Materialien selbst entworfen, sondern sie teilweise nur übernommen hat. Und nun werden sie unter ihrem Namen verwendet. Und ich sage: Na und! Mir doch egal. Denn wer einmal diese Materialien nicht nur gesehen, sondern erfahren, gespürt oder auch selbst nachgearbeitet hat, der weiß, wie wertvoll sie sind. Da möchte ich statt meinem Leben 2.0 eine Kindheit 2.0 und meinen Tag in einem Kinderhaus verbringen, in dem ich mich austoben und sowohl Sprache, Mathematik, Kultur oder Musik erforschen und erfahren kann, wie ich und wohl fast jedeR in unserer Generation es nicht konnte. Und das spielerisch, ungezwungen und frei.

Huch, schon wieder eine Huldigung. Nein, so meine ich das nicht. Natürlich soll es nicht so sein, dass es nur das gibt, und nichts anderes. Das Material ist einfach grandios, aber wer verbietet, dass es im Kinderhaus auch andere Dinge geben darf wie Rollenspielbereiche, Puppenecken oder Gesellschaftsspiele, der treibt es so weit, dass es steif und unnatürlich wird. Dann wird es komisch und dann ist es das, womit sich niemand identifizieren kann und will.

Letztendlich muss ich nun aber doch zugeben, dass ich die Montessoripädagogik etwas huldige. Weil ich in dem Haus, in das Herr Klein täglich geht, erlebe, wie wundervoll es ist - die Atmosphäre, die Materialien, die Begeisterung der Kinder.
Was ich mir aber wünschen würde, wäre eine Offenheit derer, die diese Vorurteile in sich tragen, ein Ohr und ein Auge zu leihen, um selbst zu sehen und zu hören, worum es wirklich geht. Und vor allem WiE. Aber auch eine Offenheit derer, die predigen und huldigen. Denn genau das waren schon immer und sind noch heute Methoden, die eine Anti-Haltung hervorrufen, so dass am Ende ein unüberwindbarer Graben entsteht, wie wir ihn eben genau heute erleben. Und das ist schade. Für uns. Und unsere Kinder.

Mittwoch, 15. Februar 2012

WARUM ?

Ja, warum eigentlich ?
Nach 10 Jahren im Bauwesen hab ich nun also meine Berufung fernab von Stahl und Beton gefunden. 10 Jahre hab ich mich durchgebissen. Immer wenn es unangenehm wurde, der Druck unerträglich und der Stress Burn Out symptomatisch, bin ich davongelaufen. Habe mir einen neuen Job gesucht, um dann dort, wenige Zeit später, wieder an dem Punkt zu landen, vor dem ich geflüchetet bin. Bis ich schwanger wurde.






Prioritäten sich verschoben sich plötzlich komplett und das Bewusstsein, die Verantwortung für ein neues Leben tragen zu werden, machten mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Und ich das ja letztendlich auch nicht wollte.
Nun - die Karenz brachte nicht die gewünschte Erleuchtung. Mit einem Herzkind hat man andere Sorgen. Ganz andere. Solche zum Beispiel. Und plötzlich waren 10 Monate um. Herr Klein gesund und wir fanden uns in einem Pikler-Spielraum wieder. Und da war sie. Die langersehnte Erleuchtung. DAS WAR ES. DAS wollte ich auch. Kinder und ihre Eltern in diesem Raum Zeit und Muße geben, jedem für sich. Dem Kind eine geeignete Umgebung für freies Spiel, freie Bewegungsentwicklung. Den Eltern die Möglichkeit geben ihr Kind einfach nur zu sehen, zu beobachten und kennenzulernen, auf eine Art, wie es zu Hause schwer möglich ist. Alle gemeinsam dabei begleiten und unterstützen, das wollte ich auch.

Und so begann mein Pfad. Anmeldung zum Fernkurs "Spielgruppenleiterin" bei www.jobsmitherz.at. Anmeldung zur Ausbildung zur Montessori Pädagogin Kinderhaus. Anmeldung zum Grundkurs Pikler Pädagogik. Knall auf Fall strömten Ideen und Inspirationen auf mich ein. Mehr und mehr Türen öffneten sich und ich wurde plötzlich zu diesem dauergrinsenden Monster, das ich sonst verabscheute.
Natürlich glaubten und glauben noch immer viele "Jaja, die Mutter, die nun glaubt, die Erfüllung gefunden zu haben. Bis ihr Kind dann in der Pubertät ist." Und ich sage: "Nein, so ist es nicht!" Denn es geht hier nicht nur um mein Kind und mich. Es geht darum was ich fühle, wenn ich mich mit der Pädagogik verschiedener Richtungen auseinandersetze. Wenn ich darüber nachsinne, wie ich meine Kurse als Familienbegleiterin gestalten werde. Weil... jajaja, ich diese Ausbildung nun auch noch gleich nachgelegt habe. Kein Sorge, die Spielgruppenleiterinnen-Ausbildung ist schon absolviert. Somit sind es eh nur mehr 3 Ausbildungen, die ich nebenher mache. Und das nicht so einfach nebenher. Mit einer Begeisterung und Motivation, die ich nie, NIEMALS in meinem ganzen Studium erlebt habe. Mit Enthusiasmus und wohl etwas "Strebertum", denn ist ein Wochenendemodul mal wieder vorbei, so finde ich das schade, anstatt erschöpft nach hause zu gehen.

Und selbst WENN ich in 10 Jahren sage "Nö, mit dem ganzen will ich nix mehr zu tun haben." dann auch nur, weil ich dann etwas gefunden habe, was noch viel besser ist. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, was das sein soll. Denn selbst wenn ich mir meinen Jugendtraum erfülle und wenigstens eine meiner Ideen zu Papier bringe und ein Buch schreibe (weil mir eh so fad ist), so kann ich ja dennoch mit Menschen in Kontakt sein. Mit Eltern, mit Familien. Und eben dies tun, wofür ich mich nun aus- und um- und weiterbilde. Sie unterstützen in der spannenden Zeit vor der Geburt, der unglaublich einmaligen Zeit der Geburt und der Aufregung danach. Sie begleiten und ihnen Fenster öffnen, wo sie glaubten, sei nur eine eingerostete Holzluke.

Dabei bin ich natürlich nicht bei weitem die perfekte Mutter. Abgesehen davon, dass es die nicht gibt. Es gibt nur die, die danach streben, und das ist schon mehr, als notwendig ist, um ein Kind liebevoll ins Leben zu begleiten. Also werde ich diesen Grat finden zwischen meiner eigenen Familie und anderen. Diese zwei Rucksäcke werde ich von nun an tragen, sie werden immer unterschiedlich gepackt sein und nie wird es mir langweilig werden, darin zu suchen nach der Wegzehrung, die mich am Leben hält.

NEU


Vieles ist neu. Vieles ändert sich. Manchmal. Ständig.





Dass sich ein Leben mit Kind ändert, war klar. Wie drastisch - nein, das nicht. Nun bin ich auf neuen Pfaden, unterwegs dem Herzen folgend. Den Verstand tief in der Hosentasche vergraben. Mein Ziel ? Ein Großes und dennoch so ungreifbar klein. Bis jetzt.

Familien begleiten, Eltern unterstützen und Kindern eine Welt ermöglichen, die ihnen Raum für Entfaltung, Entdeckung und Geborgenheit gibt. Klingt groß. Mag sein. Aber das ist es, was ich will. Wirklich will. Wenn ich aufwache beginne ich darüber nachzudenken. Bis ich wieder einschlafe am Abend. Nach einem langen Tag voller neuer Ideen.

Dazwischen und doch mittendrin meine Familie. Herr Groß und Herr Klein und wer weiß, wer noch irgendwann.

Hier könnt Ihr mitlesen, wie ich wandere zwischen Pfaden, meinen Weg finde und gehe und was sich tut im Buntraum - im Raum für Eltern, Kinder und Familien.