Bunträume

Mittwoch, 29. Februar 2012

Was Freude macht, belastet nicht !


Gestern abend habe ich per email das dritte Modul meines Fernkurses zur Bi.G Kursleiterin erhalten. Das bedeutet wieder Hausaufgaben. Skript lesen, weiterführende Literatur lesen. Nachdenken. Fragenkatalog bearbeiten. Also habe ich mich heute, als die Babysitterin Herrn Klein betreut hat, in die Bücherei gesetzt und losgelegt. Und gar nicht prokrastiniert



In der Schule hat unser Physiklehrer bei der Erteilung der Hausaufgaben immer mit einem Lächeln gesagt: „Was Freude macht, belastet nicht.“
Ich hab das lange Zeit gar nicht verstanden, weil ich gar nicht genau hingehört habe. Und weil mich Physik in ihrer vermittelten Trockenheit nicht interessiert hat. Auch im Studium habe ich mich auf Grund von Zeitdruck, anderen „lustigeren“ Interessen oder Nichtverstehens eher durch die Hausübungen gequält. Ebenso durch das Schreiben meiner Diplomarbeit, obwohl sie von einem Thema handelte, was mich damals sehr interessierte. Aber der auferlegte Zeitdruck, die Rahmenbedingungen und die vorangegangenen mühseligen Jahre des „Durchboxens“ haben mir sehr viel Motivation geraubt. So ging es weiter. Im Job, in Weiterbildungen. Zäh wie alter Kaugummi.

Jetzt werde ich verunsichert angeschaut, wenn ich erzähle, wie viele Ausbildungen ich grad mache. Und das mit einem Lachen im Gesicht. Nein, leicht ist es nicht immer neben Kind, Familie und Job. Aber es ist nicht das Lernen und Erarbeiten, was mich stresst. Es ist die Zeit, die ich anderweitig verbringe. Verbringen muss – mit Arbeit zum Beispiel. Wo ich NICHT lernen kann, keine spannenden Artikel lesen kann. Mich nicht austauschen kann.

Das ist es also, was Maria Montessori an Kindern entdeckt hat. Der Drang, der Wille, etwas zu erfahren, zu erlernen, zu verstehen. Der Drang, den wir durch fixe Stundenpläne und Frontalunterricht in der Schule zerstören. Im Volksschulalter bereits. Und die Freude, die Ausdauer, die ein Kind hat, wenn es sich mit etwas beschäftigt, das es von sich aus gewählt hat. Frei und ohne Zwang.

Nein, nicht nur Kindern geht das so.
Auch ich saß heute also da und "lernte". Wenn man das so bezeichnen mag. Denn was genau ist lernen? Etwas lesen und lesen und lesen und nicht verstehen aber mühsam versuchen in den Kopf zu hämmern? Das - so schien is - war es jedenfalls, was die StudentInnen um mich herum in der Bücherei alle taten. Oder sich mit etwas beschäftigen, darüber lesen und recherchieren, dabei mehr und mehr Interesse entwickeln und gar nicht bemerken, wie schnell die drei Stunden um sind, die man sich dafür genommen hat?

In meinem Fernkurs suche ich mir bewusst Fragestellungen aus den Modulen aus, die ich mit mir spazieren trage. Über die ich nachsinnen kann, wenn ich in der Ubahn sitze oder abends Herrn Klein lausche, während er in die Traumwelt dahindöst. Früher habe ich Fragestellungen so lange gemieden, bis ich einen Prüfer und ein A4 Blatt vor mir hatte.

Apropos Fragestellungen. Vielleicht habe ich die auch nie wirklich verstanden. Denn noch heute zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich lese "Beschreiben Sie..." Wie genau? Wie ausführlich? Und was überhaupt? Und dann die Bitte, das mit eigenen Worten zu tun. Hilfe! Keine Definition abschreiben? Kein Lexikon zitieren? Oft hänge ich an solchen Aufgabenstellungen fest, bis ich beschließe, einfach ein paar Stichpunkte zu machen und zur nächsten Fragestellung weiterzugehen. Und während diese Notizen das Papier streifen, bilden sich schon Sätze, die Gedanken poltern und plötzlich habe ich die Antwort da, von der ich gar nicht wusste, wie sie ausschauen sollte.
Das ist es also, was die Schule mit uns angestellt hat. Unsere Geister verkompliziert und verschreckt.

Ich hoffe, dass, bis Herr Klein mit seiner Zuckertüte das erste Mal eine Schule betritt, sich schon einiges geändert hat im Bildungssystem. Und vielleicht habe ich bis dahin auch gelernt mit ganz einfachen Fragestellungen umzugehen. In diesem Sinne - Modul 3 hat noch ein paar Fragen offen und der Abend ist noch jung. Oder: "Was Freude macht, belastet nicht!"

Dienstag, 28. Februar 2012

A wie Absage und Anker

Vor kurzem hat mich eine Freundin völlig spontan gefragt, ob ich Lust hätte, als "Native Speaker" in einem Kindergarten mit Montessori Ansatz zu arbeiten. Da wäre grad eine Stelle frei. Ich war völlig überwältigt, überrascht und vom jetzigen Leben 1.0 überhaupt mal wieder besonders genervt. Ich wollte Hurra! schreien. Und musste dennoch absagen.




Ich hab mich also beworben. Ganz klassisch mit Lebenslauf und ohne irgendwelche Referenzen. Die hab ich ja noch nicht. Und mein Diplomzeugnis vom Bauwesen brauchte ich sicher nicht dazulegen.
Prompt kam auch der Anruf und eine Terminvereinbarung für ein Gespräch. Ich habe mir die Einrichtung angeschaut und mehr über die Tätigkeit erfahren. Und das Gehalt. Das Gehalt.

Es ist unglaublich, wie schlecht die Menschen bezahlt werden, die 40h die Woche, 8h am Tag die nächste Generation betreut und begleitet. Die Verantwortung wird hier meiner Meinung nach völlig vernachlässigt. "Die spielen ja nur." war vielleicht auch mal mein Glaube, als ich noch keine Ahnung hatte von Kindern und dem Job, den alle wirklich leisten, die mit ihnen zu tun haben.

Nicht dass Kinder so anstrengend wären oder mühsam. Gar nicht. Aber sie sind fragil. Fragil dahingehend, dass man so viel in eine Richtung biegen und versteifen kann, ohne dass es einem bewusst ist. Jeder Satz, jede Handlung kann so unglaublich viel anrichten bei einem Kind, was die Welt noch ganz anders sieht und alles aufsaugt wie ein Schwamm. Meist unbewusst.

Aber ich lenke vom Thema ab. Die Bezahlung war also ein Witz. Natürlich habe ich keine Berufserfahrung, und die Gehaltspolitik kann ich auch nicht ändern in der Branche. Aber dass es für mehr Stunden, als ich jetzt in Leben 1.0 arbeite noch immer weniger ist, als jetzt, finde ich unglaublich schockierend.

Hinzu kommt, dass ich dann also mehr Stunden arbeite als jetzt. Zwar in einem Bereich, der ungefähr etwas mit dem zu tun hat, was ich machen will. Aber mir bleibt wiederum wieder weniger Zeit für alle Projekte und Ausbildungen, die mir helfen sollen, mich 100% ins Leben 2.0 zu katapultieren. Und das war der Knackpunkt.
Ich kann nicht noch länger "rumtanzen" und Zeit vergehen lassen. Mich in eine Richtung schlängeln, die mich doch von meiner wirklichen Richtung, von meinem allmählich freigeschaufelten Weg abbringt. Ich kann die wirklich wesentlichen Ideen und Projekte nicht wieder auf Eis legen.
Also danke für diese Möglichkeit, weiter 24h die Woche Bauwesen, 24h die Woche Projekte, die mich so wenig interessieren, dass ich nur durch Reframing Perspektive bewahren kann. Und nach Feierabend lesen, lernen und planen.

Und dann bleibt mir ja noch Ankern. Tief in mich fühlen dahin, wo diese Begeisterung für Leben 2.0 liegt und lebt. Immer wieder. Um nicht zu vergessen, wofür ich mache, was ich mache. Ommmm.

Montag, 27. Februar 2012

Frag mich, sonst schweig ich.









Am Samstag fuhr ich mit Herrn Groß und Herrn Klein in einem Lift, in den sich auch ein eigentlich gehfähiges älteres Ehepaar quetschte. Herr Klein war sehr müde und saß daumenlutschend, ins Narrenkastl schauend im Wagen. Die Dame sah ihn an und wagte den bisher dreistesten aller Sprüche: "Na Du armes Kind, hast Du kein Lutschi, dass Du am Daumen lutschen musst?" Man ist in solchen Momenten gelähmt im Mund, leider. Oder besser so. Denn hinterher fielen uns ca 100 verschiedene Varianten ein, darauf zu reagieren. Keine davon wirklich freundlich.

Auch mir begegnen im Alltag Situationen, die ich laut und ungläubig kommentieren möchte. Aber genau das sind die Momente, in denen sich die angehende Familienbegleiterin auf die Zunge beißt.

Es ist klar - seitdem ich mich mit allen Thematiken um Eltern, Kinder und Familien befasse, betrachte ich die Welt um mich herum wie ein großes Aquarium. Jeder Spielplatzbesuch gleicht einer Hospitation, die Besuche beim Kinderarzt bieten mir Recherchematerial für eine ganze Doktorarbeit. Die Feinheit dabei ist jedoch, sich das nicht anmerken zu lassen. Keine kritischen Blicke, keine wertenden Mimiken oder Gestiken und vor allem: keine Kommentare!

Das ist nicht immer leicht. Aber wer bereits - so wie wir am Samstag - von anderen komplett fremden Personen zu so persönlichen, die eigene Familie, die eigenen Kinder betreffenden Themen angesprochen und vor allem bewertet wurde, der weiß, wie ablehnend, wie wütend und negativ man auf solche Kommentare reagiert.
Würde ich nun also überall meine wohlmeinenden Ansichten zu Wort bringen, wäre ich als Familienbegleiterin sicher recht bald allein auf weiter Flur. Denn es ist nicht möglich, Menschen zu berichtigen, zu helfen oder zu unterstützen, wenn diese nicht darum gebeten haben.
Das gilt für Alkoholiker, psychisch Kranke oder eben auch Eltern.

Es ist aber nicht nur das Gefühl, auf etwas angesprochen zu werden, was eventuell schon leise in uns schlummert und brodelt, oder auch noch gar nicht bemerkt wurde. Diese Gefühl zu versagen, etwas komplett falsch zu machen und neben der Spur zu laufen.
Es ist ebenso die Tatsache, dass man ein Problem nicht lösen kann, wenn keine Frage da ist. Denn das, was ich unterwegs, auf der Straße, am Spielplatz sehe, sind Momentaufnahmen. Sie sagen nicht, rein gar nichts, über das gesamte System dieser einen Familie aus.
Und eine Frage ist erst dann da, wenn die Person diese Frage selbst formulieren kann, ihr Problem kennt und bereit ist, mir mehr über all das zu erzählen, was damit zusammenhängt.

Also ist es ok zu beobachten, interessiert zu schauen und ja, auch hie und da zu bewerten. Wenn ich all das für mich behalte, schlucke und als Lernprozess sehe. Und meine Kommentare dann abgebe, wenn sie interessiert gehört und aufgenommen werden wollen. Dann bewirken sie auch etwas, und das ist es doch, was ich möchte. Bewirken.


Was sind die schärfsten Sprüche, die Euch als Eltern begegnet sind? Und wie habt Ihr reagiert?